Propyläen der Nacht 1960-2000
Karl Lubomirski
Übersetzer: Karl Lubomirski
Seitenanzahl: 352 Seiten
Verlag: Connect Edizioni
Jahr: 2000
Sprache: Deutsch
ISBN: 978 3980864718
Im Juli 2003 erschien im Waldemar-Weber-Verlag Augsburg die zweite erweiterte Ausgabe des Werkes "Propyläen der Nacht". In dieser zweiten erweiterten Ausgabe stellt sich der Dichter noch einmal in seiner ganzen Ungewöhnlichkeit dem Leser. Einige darin erstmals abgedruckte Gedichte finden Sie unter "Lese- und Hörproben". Die Gedichte werden vom Autor selbst gelesen.
... Ihre Gedichte, die wirklich Gedichte sind, nicht "Texte" haben mir sehr gut gefallen. Ich habe sie mit Freude gelesen, zumal das meiste an moderner Poesie mich nicht anspricht (Jean Améry)
... im Augenblick eine der intensivsten europäischen Dichterstimmen (Nino Campagna)
... poetische Identität und jene stolze Einsamkeit die hoch über die Tagesgröße hinaushebt und Kraft zu Bleiben verleiht. Ich denke an Celan, Nelly Sachs, Gottfried Benn (Heinrich Ellermann)
... das schönste Buch, das ich je gelesen habe (Ralph Giordano)
... Sie sind ein Meister der Breviloquenz, die gleich vor dem Schweigen kommt (Ernst Jünger)
... Karl Lubomirski gelingt, die Wahrheit zu sagen, ohne die Gesetze der Schönheit zu verletzen (Werner Kraft)
... deutsche Sprache wie Musik, vielleicht Schubert (Karl Popper)
... Karl Lubomirskis Lyrik gehört zur besten, die heute in deutscher Sprache geschrieben wird (Joseph Peter Strelka)
Der hier angeführte Auszug eines Briefes Karl Lubomirskis an einen jungen Literaten ergänzt vieles, was die Gedichte offen lassen und erlaubt, mit dem Künstler in eine Verbindung zu treten, wie es heute nur noch selten geschieht.
"... ich war in fünfzig Ländern. Meine Füße sprachen mit Fels und Sand, Schiffsplanken, Moos und Steppe, mit heiligen Stätten und Hinrichtungsplätzen. Meine Augen verdunkelte Sandsturm und blendeten Gletscher. Sie tasteten Inkunabeln und Koranverse. Sie lasen Elektrokardiogramme und Falterflügel und die raue Haut der Haie. Meine Hände rissen Dornen blutig und heilten beim Ertasten der Geschöpfe Praxiteles und den Wangen der Mutter. Die Welt flüsterte zärtlich mit mir, oder schrie mit ihrer Donnerstimme. Sie hat mich betrogen, verlacht und es wieder gut gemacht.
... dem einen werden sie zu groß sein , dem andern zu klein, dem dritten zu laut, dem vierten zu leise, dem einen zu erfolgreich, dem nächsten nichtssagend. Jenen, deren Auge nur das Grobe fasst, werden sie kein Erneuerer sein. Aber wie kann Rindern ein Veilchen mehr als Gras sein! Schreiben sie nie für die Sprache, sondern für Menschen. Bildung wird man ihnen als Elitarismus ankreiden, Schlichtheit als Spracharmut. Schreiben sie verständlich, so wird die Pseudowissenschaft sie als überholt ( von wem ? )bezeichnen. So überholt, wie es die Sonne ist, der Blutkreislauf? Suchen sie nicht den Ruhm, sondern lassen sie sich von ihm suchen. Urteile sind Prismen, sie zerlegen das Licht des Geistes in dessen Spektralfarben und fügen es nie wieder zusammen.
... legen sie sich nie mit Gelehrten an, diese wissen mehr und können weniger. Glauben sie an keine Literaturvereinigung, keinen Verlag, keinen Lektor, kein Lob, keinen Einwand, keine Zurücksetzung, keinen Preis, keine Akademie. Vertreiben sie niemandes Zeit, selbst die ihrer Feinde ist zu kostbar. Glauben sie an die aufgehobenen Arme der Bäume im Frühling und an die Stimme der Nachtigallen in eisigen Aprilnächten. Glauben sie an die Menschen, für die sie schreiben.
... fliehen sie Vordenker, diesen fällt Nachdenken schwer.
... urteilen sie nicht, so wie Orchideen nicht urteilen, sondern blühn. Gelingt ihnen etwas, so halten sie sich nicht für den Ozean , der sie wiegt
... wenn sie allen meinen Ratschlägen gefolgt sein werden, wird man sie trotzdem kreuzigen, aber wie sonst wäre Auferstehung möglich.
... wenn ihre Kunst unverwechselbar, also ein Stil ist, so wird sie der Dank der Generationen einholen. Der Wille allein, originell zu wirken ist zu wenig und was kann man Erbärmlicheres finden, als jene deren Tagesruhm sich Mätzchen, wie dem Einbringen von Fremdwörtersilben, Umkehrung von Mitlauten, optischen Buchstabenspielchen und ähnlichen von der ebenso mittelmäßigen Wissenschaft hochgelobten Plumpheiten danken. Es ist besser, im Schatten , als im Lichte einer Pseudosonne zu stehn. Mangel an Bildung als Folge jahrzehntelanger Verfemung von Kultur und Wissen haben zur heutigen Unsicherheit des Urteils geführt. Dieser gilt es, bescheiden aber selbstbewusst und fest, ohne Anlehnung an Parteien, Strömungen, Ideologien gegenüberzutreten. Keine Restauration, keine Rückwärtsgewandtheit, nur der Zweifel, ob Schwachsinn wirklich Fortschritt ist und die Gewissheit, dass Sprache Verständigung, Ausräumung von Missverständnis und Trost bleiben soll."